Kulturfabrik Krefeld e.V

Die Kulturbranche leidet unter Long-Covid

Nicht erst mit der Tour-Absage der Kölsch-Rocker Kasalla wird klar, dass es um die Kulturbranche in diesen Tagen nicht gut bestellt ist. Zahlreiche Beschränkungen und Lockdowns haben die Terminplaner der Kulturveranstalter in den vergangenen zwei Jahren kräftig durcheinandergewirbelt. Doch auch wenn ein Kulturbetrieb momentan ohne Corona-Einschränkungen erlaubt ist und die Medien mit Bildern von ausverkauften Festivals und Großkonzerten aufwarten, geht es der Kulturbranche immer noch sehr schlecht. Auch die Kulturfabrik Krefeld ist von unzähligen Absagen betroffen: Ob die besagten Kölsch-Rocker von Kasalla, die Lesung von Spiegel-Autor Juan Moreno oder der im letzten Jahr gut angenommene KuFa-Biergarten: Alle wurden aufgrund fehlender Ticketverkäufe oder wegen mangelndem Zuspruch abgesagt.

Die derzeitigen Probleme der Kulturveranstalter in Deutschland:
-Auch die Kulturbranche leidet unter einem besorgniserregenden Personalmangel. Eine Folge von zwei Jahren Corona.
-Auch für die Kulturveranstalter steigen die Preise von Energie, Mieten und Personal.
-Viele derzeit durchgeführte Veranstaltungen wurden 2019 kalkuliert. Eintrittsgelder wurden bereits 2019 eingenommen.
-Der Ticketvorverkauf neuer Touren und Veranstaltungen läuft sehr schlecht.
-Tickets werden immer spontaner, meist an der Abendkasse gekauft. Eine seriöse Planung ist so unmöglich.
-Noch nie waren No-Show-Raten, also verkaufte Tickets deren Inhaber doch nicht kommen, größer.

Sebastian NoackVorstand und Kassenwart der Kulturfabrik Krefeld e.V.: „Wir konnten 2019 noch rund 90.000 Gäste verzeichnen. 2020 waren es auch dank des gut besuchten Zoo Aids Anfang des Jahres immerhin 18.023 Gäste, 2021 ganze 18.311 Zuschauer. Im laufenden Jahr haben wir zwar jetzt bereits knapp 22.000 Gäste in der KuFa begrüßen können. Zum langfristigen Überleben reichen diese Zahlen jedoch nicht. Denn zu den fehlenden Ticketverkäufen kommen auch steigende Mieten und deutlich höhere Kosten für Sicherheits- und Sanitätsdienstleitungen. Auch in diesem Bereich wird es in absehbarer Zeit zu keiner Verbesserung kommen. Wir und alle Kollegen sind deshalb weiterhin auf Förderungen angewiesen.“

Robin LotzeVorstand der Kulturfabrik Krefeld e.V.: „Nach den wochenlangen Schließungen in den vergangenen beiden Jahren und vielen Hygienekonzepten, die manchmal wöchentlich angepasst werden mussten, dürfen wir jetzt endlich wieder veranstalten. Und trotzdem geht es der Kulturbranche nicht gut. Wir können nur an die Krefelder appellieren: Es ist für alle eine schwierige Zeit. Ob Inflation, Ukraine-Krieg oder Corona. Doch wer auch in Zukunft seine Lieblingsband vor der Haustür sehen möchte, sollte frühzeitig Tickets im Vorverkauf erwerben.“

Weitere Stimmen aus der Branche:
Tamara BiesingerGeschäftsführerin der KuFa Service GmbH: „Im vergangenen Jahr ist unser Biergarten gut angenommen worden. Die Menschen waren glücklich, dass sie wenigstens unter freiem Himmel sorgenfrei Zeit miteinander verbringen konnten. In diesem Jahr haben wir bis jetzt jedoch trotz Bewerbung nahezu keine Gäste gehabt. Wir konnten nicht einmal ein Sechstel der entstandenen Kosten wieder einnehmen. Deshalb ziehen wir jetzt die Reißleine und werden den Biergarten in diesem Jahr nicht mehr öffnen.“

David GrashoffAutor, Stand-up-Comedian und Poetry-Slammer: „Es sind schwere Zeiten für die Kleinkunst. Ob Corona oder Krieg in der Ukraine – dadurch entscheiden die Leute eher kurzfristig, ob sie gewisse Kulturangebote annehmen. Aber diese Kurzfristigkeit ist für die Kleinkunstbranche zermürbend und auf Dauer nicht zu tragen. Dazu kommt, dass die Menschen eher zu großen Festivals oder Konzerten gehen oder/und Veranstaltungen nachholen, die während der Corona-Krise abgesagt wurden. Eigentlich hatte man die Hoffnung, dass die Kulturbranche sich langsam von den letzten zwei Jahren erholt. Trotzdem hört man von allen Seiten nur von Absagen und schleppenden Ticketverkäufen. Was der Herbst bringt, bleibt abzuwarten. Mein Optimismus hält sich da aber leider auch stark in Grenzen.“

Michael BispingGeschäftsführer a.s.s. concert & promotion gmbh: „Tatsächlich ist es im Moment so, dass die Medien mit ihrer Berichterstattung den Eindruck erwecken, das Thema Corona gehöre der Vergangenheit an und die Veranstaltungswirtschaft boome wieder wie in Vorpandemiezeiten.
Hierbei wird wohl vornehmlich auf eine Reihe von ausverkauften Großveranstaltungen, Festivals wie Einzelkonzerten der absoluten Oberliga abgestellt…und leider genau dieser Eindruck wird auch bei der Politik verstärkt, die sich dadurch in der Meinung, die Branche brauche zukünftig keine Unterstützung mehr, gestärkt sieht. Leider ist das aber absolut nicht der Fall, da diese Betrachtungsweise leider das absolute Gros der Veranstaltungen, die riesige Zahl von mittleren und kleineren Veranstaltungen, komplett außer Acht lässt.
Und gerade bei denen ist das Wort „ausverkauft“ eher die Ausnahme! Speziell Veranstaltungen mit einem älteren Zielpublikum leiden massiv, Karten verkaufen sich von mäßig bis schlecht! Und sog. „No Show“ Raten, also verkaufte Tickets, deren Besitzer sich aber entscheiden, nicht zur Show zu gehen, liegen im Schnitt bei 15 bis 30 %. Da diese Tickets für in der Vergangenheit aufgrund der Pandemie verschobenen Veranstaltungen bis zu 3 Jahre lang zurückgegeben werden können, liegt allein hierin ein enormes Risiko für die Veranstalter.
Die neueste Ausgabe der Musikwoche zitiert den Musiker Joe Jackson anlässlich eines Konzertes in der Münchner Muffathalle vom 25.7. wie folgt: „Touren in Deutschland ist gerade frustrierend. Entweder kaufen die Leute keine Tickets oder sie kaufen welche und kommen dann nicht“! Das trifft es sehr gut!“

Lina FarahKrefelder Musikerin (Kassiopeia, Naheli, Mondo Mashup): „Weniger Clubs, mehr KünstlerInnen, die gleichzeitig Konzerte nachholen und ein verständlicherweise zögerndes Publikum haben die Kulturbranche umgekrempelt. Wie es weitergehen kann ist unklar, aber es ist definitiv noch keinesfalls wieder ein natürlicher Flow.  Statt die Bandbreite zu fördern, geht es aktuell mehr um das Überleben in der Masse. Das kennt man aus Unternehmen in der freien Marktwirtschaft, die Frage ist nur, ob das die Ausgangssituation der Kunst und Kulturszene sein sollte.“

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